Als ich euch für die letzte Podcast-Folge vier Sachbücher vorstellen wollte, musste ich eine Auswahl treffen, die mir nicht leicht gefallen ist. Deswegen möchte ich die Gelegenheit nutzen, euch noch zwei Sachbücher vorzustellen, die äußerst lesenswert sind.
Ulrike Herrmann: “Das Ende des Kapitalismus”
Den Anfang macht die TAZ-Journalistin Ulrike Hermann, die sich in ihrem Buch “Das Ende des Kapitalismus” (erschienen beim @kiwi_verlag) mit den Konsequenzen von ungebremstem Wirtschaftswachstum auseinandersetzt. Zwar sind dadurch jede Menge Wohlstand und Innovationen entstanden, jedoch stoßen wir mittlerweile an die Grenzen des Wachstums, untermauert durch den Klimawandel und Ressourcenknappheit.
Der Inhalt dieses Buches ist dabei weit weniger reißerisch, als es der Titel vermuten lässt, denn es geht hier keineswegs um pauschalisierende Kapitalismuskritik. Herrmann präsentiert stattdessen eine analytische, fundiert recherchierte und greifbare Auseinandersetzung mit unserem Wirtschaftssystem und den verheerenden Folgen von Globalisierung, systematischem Wachstum und turbokapitalistischen Prinzipien.
Dieses Buch ist unbequem, anstrengend und schwer verdaulich, jeweils im bestmöglichen Wortsinn! Herrmann argumentiert, dass das so oft propagierte “Grüne Wachstum” letztlicht eine Illusion ist, die nicht funktionieren kann. Stattdessen plädiert die Autorin für “Grünes Schrumpfen”, eine Art orchestrierte und staatlich gelenkte schrittweise Reduktion der Wirtschaftsleistung angelehnt an die britische Kriegswirtschaft ab 1940 bei gleichzeitigem Ausbau erneuerbarer Enegerien.
Am Ende hat mich Herrmanns Lösungsansatz nur bedingt überzeugt, da sich eine staatlich gelenkte Wirtschaft wohl kaum mit demokratischen Prozessen vereinbaren lässt und zudem eine globale Interessensangleichung vonnöten wäre, die bei der aktuellen Weltlage auch mit größtem Optimismus kaum vorstellbar ist. Gleichzeitig wird die innovative Kraft des Menschen geringgeschätzt und einen konkreten Plan für die Umsetzung gibt es auch nicht, stattdessen bleiben viele Fragen offen. Dennoch liefert Herrmanns Buch herausfordernde Denkanstöße und Provokationen, die unsere Gegenwart dringend braucht.
Daniel Kahnemann: “Schnelles Denken, langsames Denken”
Schon ein bisschen in die Jahre gekommen, aber dafür nicht minder aktuell und relevant ist der Bestseller “Schnelles Denken, langsames Denken” (Orig. “Thinking, fast and slow”, übersetzt von Thorsten Schmidt und erschienen beim Siedler Verlag), in dem sich der israelisch-US-amerikanische Psychologe und Nobelpreisträger Daniel Kahnemann mit kognitiven Verzerrungen und daraus resultierenden Denk- und Entscheidungsfehlern beschäftigt. Kahnemann geht dabei von zwei Systemen innerhalb des menschlichen Gehirns aus: Er nennt diese System 1 (schnell, intuitiv und emotional) und System 2 (langsamer, logischer, wohlüberlegt).
Diese beiden Systeme bestehen dabei nicht unabhängig voneinander, sondern stehen in stetiger Interaktion, was zu frappierenden Bewertungs- und Entscheidungsfehlern und Fehleinschätzungen führt. Kahnemann zeigt in seinem Buch typische Prinzipien solcher Fehlschlüsse und erklärt Strategien, mit deren Hilfe man die eigene Entscheidungsfähigkeit trainieren kann, indem man sich die darunterliegenden Wirkweisen bewusst macht.
Eben diese Wirkweisen sind immens faszinierend und machen den Charme dieses Buches aus, etwa wenn Kahnemann belegt, wie unser Gehirn jederzeit dazu neigt, den Weg des geringsten Widerstands zu gehen, wir dazu tendieren, die schwierigen Fragen des Lebens durch einfachere zu ersetzen oder wir eher unseren Gefühlen vertrauen als wissenschaftlichen Daten.
Insgesamt bietet dieses großartige Buch einen faszinierenden Einblick in die Arbeitsweise des menschlichen Gehirns und lehrt dabei die Kunst der Demut angesichts einer Komplexität der Welt, von der wir gerne glauben, wir hätten sie durchschaut und verstanden.
Links:
Ulrike Herrmanns Sachbuch “Das Ende des Kapitalismus” bei Kiepenheuer & Witsch
Daniel Kahnemanns Sachbuch “Schnelles Denken, langsames Denken” beim Siedler Verlag / Penguin Randomhouse
Folge 79 mit Michael Schikowski zum Genre der Sachbücher
Folge 80 zu vier lesenswerten Sachbüchern
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